Kriminelle Träume




Willhelm Stekel (1868-1939) stellte bei seinen traumanalytischen Untersuchungen
über Neurosen fest, daß man den *geheimen Verbrecher im Mensch
berücksichtigen müsse, wenn man an die Heilung des Leidens gehen wolle*.
Neurosen sind seelische Störungen, die sich vielfach in funktionellen, körperlichen,
Krankheitserscheinungen ausdrücken wie Migräne, Übelkeit, Erbrechen,
Magen- und Darmbeschwerden, Herz- und Keislaufstörungen und allgemeinen
körperlichen Mißempfindungen. Seit Sigmund Freud wurden darüber
zahlreiche Theorien entwickelt. Wir können heute davon ausgehen, daß
Neurosen vor allem bei Menschen auftreten, die als kleine Kinder vernachlässigt
wurden oder bei denen Störungen im Elternhaus auftraten, z.B. durch Scheidung,
Verlust eines oder beider Elternteile sowie Mißhandlungen. Ferner kommen
Neurosen bei Menschen vor, deren Ehe- oder Berufsleben gestört sind. Diese
Neurotiker werden nach Stekel im Traum *Verbrecher ohne Mut zum Verbrechen*.
Der Traumanalytiker kann auch gleich ein Beispiel aus seiner Praxis anführen.
Ein mann kam zu Stekel und erzählt:
"Ich träumte, daß Gas ausgeströmt ist. Meine Frau und mein Sohn
liegen bewußtlos in ihren Betten. Ich erwache mit Schrecken und sehe nach,
ob sie noch leben. Zu meiner Beruhigung atmen beide ruhig. Ich kann lange nicht einschlafen."
Wilhelm Stekel erklär den Traum so:
"Die Tragödie einer unglücklichen Ehe. Seine kriminellen Gedanken gehen
dahin, Frau und Kind mit Leutgas zu vergiften. Kein Mensch soll das Verbrechen erfahren.
Es soll ein unglücklicher Zufall sein. Er will frei sein, um sich sexuell auszuleben.
Noch ein zweites Motiv: Seine Schwester ist Witwe geworden und hat eine schöne
Pension. Er möchte den Huahalt mit ihr gemeinsam führen."
Der arbeitsunfähige Patient Stekels litt unter Schlaflosigkeit, er kämpfte
mit Selbstmordgedanken. Die Diagnose der Nervenärtze lautete: Neurasthenie.
"Immer wird man hinter den Symtomen Schlaflosigkeit, Unfähigkeit zu arbeiten,
Dyspepsie (Verdauungsstörung), Verstopfung, usw. einen schweren
*psychischen Konflikt* finden", erklärt Stekel das Krankheitsbild.
Kriminelle Träume spiegeln also oft eine im Wachleben gehemmte oder
zurückgehaltende Aggression wider. Es muß nun keinesfalls Neurotiker
sein, wer von solchen Träumen im Schlaf geschüttelt wird. Und
natürlich träumen nicht alle Neurotiker über Verbrechen, die
ja nur die Übersetzung trüber Gedanken aus dem Wachbewußtsein sind.
Kriminelle Träume können aus den nichtigsten Anlässen auftreten.
Bei aufgestautem Ärger über einen Vorgesetzen zum Beispiel, dem man
am liebsten vielteilen würde, bei Examensängsten, die zugleich auch
die Furcht vor dem prüfenden Lehrer beinhalten können, den man
mundtot machen möchte. Im Traum sind wir alle keine tugendhaften Menschen,
sondern oft rechte Misstäter.
Intressant ist in diesem Zusammenhang, was bei der Untersuchung der Träume
Krimineller herauskam:
Verbrecher schlafen oft besser als Normalböürger, Alpträume bedrücken
sie nicht, und von zum Tode Verurteiten wird sogar behauptet, sie würden
kaum mehr träumen. vielleicht weil ihre Seele schon zu abgestumpft ist.